Die Flugbewegungen am Flughafen Zürich sind im ersten Semester um 8 Prozent eingebrochen. Eine Verschnaufpause für die lärmgeplagte Bevölkerung – doch die bemerkt gar nichts.
Sven Zaugg
Die Bevölkerung in den Flughafenanrainern Rümlang und Glattbrugg nimmt den Rückgang der Flugbewegungen am Drehkreuz Zürich/Kloten kaum zur Kenntnis. Das erstaunt. Im ersten Semester zählte Unique lediglich 127\'303 Starts und Landungen, was einem Rückgang von 8 Prozent entspricht. Eine Verschnaufpause für die lärmgeplagte Bevölkerung, so sollte man meinen und folgern, dass die Rezession vielleicht dennoch auch ihre guten Seiten hat. Weit gefehlt, wie ein Augenschein in den Gemeinden zeigt.
Es sei ihm wurst und eigentlich wolle er gar nicht mehr darüber sprechen, sagt ein Rümlanger Senior. Er hat es sich im kleinen Park gleich gegenüber dem Gemeindehaus gemütlich gemacht und findet nicht, dass der Lärm merklich zurückgegangen sei. «In Rümlang lärmt es halt», sagt er schliesslich.
Mit Fluglärm aufgewachsen
Fast gleich tönt es aus dem Mund einer gebürtigen Münchnerin, die seit gut zehn Jahren in Rümlang lebt. Man achte sich gar nicht mehr, «ich lebe mit dem Lärm». Die 42-Jährige hat sich nur am Rande mit der politischen Dimension des sogenannten Fluglärmstreits auseinandergesetzt und «nimmts halt, wies kommt».
Szenenwechsel. Im Zentrum Glattbruggs, an der Kreuzung Wallisellerstrasse/Schaffhauserstrasse, wird die Akustik vom Brummen der Schwertransporter dominiert. Die junge Mutter schiebt den Kleinen im Wagen vor sich her. «Was? Fluglärm?», fragt sie zurück, «ich bin in Glattbrugg aufgewachsen, meine Eltern arbeiten beide in flugnahen Betrieben.» Sie sei die Letzte, die sich am Lärm der Flugzeuge störe. Im Übrigen nehme sie Schwankungen gar nicht mehr wahr.
Derweil donnert ein Flugzeug über Glattbrugg hinweg, niemand schaut zum Himmel, alle kennen und ignorieren das Grollen der Vögel aus Metall.
Auch der Mittdreissiger im Nadelstreifenanzug und nach hinten gegelten Haaren. Es sei lächerlich, sich wegen des Fluglärms zu enervieren oder überhaupt zu fragen, obs nun weniger oder mehr sei. «Die Rezession spüre ich höchstens im Business, sicher nicht im Ohr.» Er grinst und sagt dann: «Nur die komplette Abwesenheit vom Lärm würde zeigen, wie laut es hier eigentlich ist.»
Kommentar VFSN: Die Erkenntnis ist nicht neu, aber interessant: Eine geringfügige Reduktion wird von den Betroffenen nicht wahr genommen. Auch das ist bekannt: Wo es bisher noch keinen Fluglärm gab, werden schon sehr wenig Flüge als sehr störend empfunden.
Wenige Menschen vom Fluglärm entlasten, was diese nicht einmal wahrnehmen; dafür sehr viele Menschen neu mit Fluglärm belasten, was diese extrem stört: Die absurde Idee der Fluglärmverteiler.