Für jeden Lärmtag ein Teilnehmer (ZOL)

Publiziert von VFSNinfo am
Leise und gesittet zogen die Südschneiser am Samstag durch Zürich. Lauter und kämpferischer wurde es erst bei der Schlusskundgebung.

Till Hiemer

Sie heissen Silla, Toya und Jolie. Sie sind Kampfhunde der etwas anderen Art - Polit-Kampfhunde. Eingehüllt in für Zweibeiner gemachte T-Shirts, beklebt mit Abziehbildern und mit Luftballons versehen, die an ihren Halsbändern flattern. Alle Accessoires in stilgerechtem zitronengelb gehalten, der Kampffarbe der fluglärmgeplagten Südschneiser.
Die zwölf Beine der drei Vierbeiner trugen naturgemäss überproportional zu den 4000 Beinen bei, die am Samstag durchs sommerliche Zürich marschierten, um einmal mehr die Bevölkerung an ihr Langzeitleiden zu erinnern. «Oberschneiser» Thomas Morf gibt Fluglärmdemo-Teilnehmerzahlen gern in der Masseinheit «Bein» an. Dabei wäre die Verdoppelung diesmal gar nicht nötig gewesen, auch so präsentierte sich die Marschformation eindrücklich genug.
2000 Teilnehmer für 2000 Tage Südanflüge - ein fluglärmgeplagter Mensch pro Tag. Margrith Hablützel-Graf ist einer von ihnen. Sie wohnt seit 1962 auf der Forch und ist extra früher aus ihren Davos-Ferien heimgekehrt, um ihre Silla an dem für diese etwas gewöhnungsbedürftigen Ort Gassi zu führen. Vom Platzspitzpark hinter dem Landesmuseum gehts das Limmatquai runter, dann über die Münsterbrücke via Paradeplatz die Bahnhofstrasse rauf, um schliesslich durch den kleinen Autotunnel vor dem Hauptbahnhof wieder zum Landesmuseum zu gelangen.

«Haben uns nie an Lärm gewöhnt»

Marschteilnehmerin Hablützel-Graf geniesst die für Zürich untypische Ruhe. In ihrem Haus auf der Forch würden sie und ihr Mann mit Stöpseln in den Ohren schlafen, damit sie nicht schon um 6 Uhr durch landende Flugzeuge geweckt werden. «An den Lärm haben wir uns nie gewöhnt», meint sie leicht frustriert. Resignieren käme aber nicht in Frage: «Das ist doch genau, was die Behörden wollen: einfach zuwarten, bis der aktuelle Zustand von allen akzeptiert wird.»
Alles verläuft ruhig - nicht nur weil die Gedenkmärschler sich diszipliniert verhalten («alles staatstragende Bürger», O-Ton Morf), sondern weil durch die Aktion gleich auch noch der Verkehr lahmgelegt wird - ironischerweise der Autoverkehr. Nur vereinzelt hört man Trillerpfeifen oder das Zerplatzen von Ballons, wenn diese sich nicht schon unfreiwillig gen Himmel verabschiedet haben. Sie sind übrigens die einzigen sichtbaren Flugobjekte an diesem Tag.
Jeannette und Hans-Ruedi Grunauer sind aus Wädenswil angereist, Hündin Jolie inklusive. Sie geben sich keinen Illusionen hin: «Südanflüge sind wohl nicht gänzlich zu vermeiden.» Das Ehepaar hofft aber auf anwohnerfreundlichere Flugzeiten und den gekröpften Nordanflug. Verkehrsminister Leuenberger stellt es kein gutes Zeugnis aus. «Wir haben uns gegenüber Deutschland blöd und hochnäsig verhalten.»
Viktor Wittwer wohnt seit 38 Jahren in Rapperswil. «Die Abgase haben das Moos in meinem Garten schwarz werden lassen», meint er. Angst mache ihm aber vor allem die Absturzgefahr.
Zurück beim Museum halten Stadträtin Ruth Genner, Nationalrat Filippo Leutenegger und Dübendorfs Stadtpräsident Lothar Ziörjen flammende Reden. Letzterer meint lakonisch, dass der Marsch «im Gegensatz zu den Südanflügen» rechtsgültig bewilligt worden sei.

ZOL, 27.04.2009


siehe auch:
Gedenkmarsch: 2000 Tage Südanflüge (VFSN)
«Grössenwahnsinn ist das eigentliche Problem» (regio, 23.04.2009)
2000 Tage Protest - ohne Erfolg (AvU, 25.04.2009)
Gedenkmarsch 2000 Tage illegale Südanflüge - die Bilder (VFSN, 25.04.2009)
Gedenkmarsch „2000 Tage illegale Südanflüge“ (Medienmitteilung VFSN, 26.04.2009)
2000 Süd-Schneiser wehren sich mit Gedenkmarsch (BZ, 26.04.2009)
Sie lassen die Flügel nicht hängen (Glattaler, 30.04.2009)