Der Kantonsrat will keine Pistenverlängerungen (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Deutliches Ja für das Moratorium – Bürgerliche sorgen mit Referendum für Volksabstimmung

Der Kantonsrat hat ein Verbot für Neu- und Ausbauten von Pisten deutlich gutgeheissen. Im September kann das Volk zur Vorlage Stellung nehmen. Ein weiterer Plafonierungs-Vorstoss und die Volksinitiative für eine flächendeckende Lärmverteilung blieben chancenlos. ark. Die Entscheide standen schon länger so gut wie fest. Trotzdem benötigte der Kantonsrat eine gut fünfstündige Debatte, um seine jüngsten flughafenpolitischen Pflöcke einzuschlagen. Er sagt Ja zur Behördeninitiative gegen den Neu- und Ausbau von Pisten am Flughafen und lehnt einen weiteren Anlauf für eine Plafonierung bei 320 000 Flugbewegungen jährlich sowie eine Volksinitiative für die flächendeckende Verteilung des Fluglärms klar ab. Den drei Entscheiden gingen teilweise langatmige Grundsatzerklärungen voraus, bei denen die Parlamentarier die Gelegenheit wahrnahmen, ihre Positionen weit über die aktuellen Fragen hinaus grundsätzlich abzustecken.

Dabei verfolgte die Debatte die bekannten Muster. Während die Linke die Bedürfnisse der lärmgeplagten Bevölkerung in den Mittelpunkt stellte, markierte das bürgerliche Lager Wirtschaftsnähe und warnte im Einklang mit Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer vor einer Schwächung des Wirtschaftsmotors Flughafen in der gegenwärtigen kritischen Konjunkturlage.

Auch Lärmverteilung kommt vors Volk
Zum Auftakt der Debatte behandelte der Rat die Volksinitiative Fairflug. Sie stammt aus der Küche der im Osten des Flughafens beheimateten Bürgerinitiative Fluglärmsolidarität und verlangt eine Verteilung der An- und Abflüge auf die drei Pisten und die dazugehörigen sechs Himmelsrichtungen. Kommissionspräsident Ruedi Menzi (svp., Rüti) erklärte, sie widerspreche damit geltendem Recht und sei nicht umsetzbar. Diese Meinung teilte man sogar bei der SP, die das Vorhaben deshalb laut Fraktionssprecherin Priska Seiler Graf «etwas ungern, aber bestimmt» zur Ablehnung empfahl. Für CVP-Sprecher Willy Germann brächte die Initiative bei Annahme «das Schlimmste, was blühen könnte». Seiner Ansicht nach würde sie einen markanten Kapazitätsausbau ermöglichen. In der Abstimmung blieb die Initiative chancenlos. Der Ablehnungsantrag der Kommission wurde mit 161 Ja- zu 4 Nein-Stimmen gutgeheissen. Die Initianten lassen sich vom deutlichen Verdikt aber nicht beirren. Kurt Klose, der Präsident des Initiativkomitees, erklärte auf Anfrage, man sei zwar enttäuscht, der Rückzug aber sei kein Thema.

Deutlich knapper fiel die Ablehnung bei der ersten traktandierten Behördeninitiative aus. Sie war mit ihrem Plafonierungsvorschlag von maximal 320 000 Bewegungen pro Jahr als Alternative zu der im November 2007 klar verworfenen Initiative für 250 000 Bewegungen lanciert worden. Aus zeitlichen Gründen blieb sie in der damaligen Ausmarchung aber unberücksichtigt. Stattdessen gab das Volk dem Gegenvorschlag der Regierung mit dem Zürcher Fluglärmindex (ZFI) den Vorzug. Darin integriert ist auch ein Passus, wonach Massnahmen geprüft werden müssen, wenn der ZFI 47 000 stark gestörte Personen übersteigt oder die Zahl der Flugbewegungen deren 320 000 erreicht.

Damit wurde die Behördeninitiative ein Stück weit redundant, und selbst die Vertreter der Initianten im Rat waren nicht mehr sonderlich erpicht, eine weitere Plafonierungs-Diskussion zu führen. Dies auch, weil die Behördeninitiative eine Ausdehnung der Nachtruhe von heute 6 auf 8 Stunden verlangt, eine Dauer, die im Rat mehrheitlich als zu lang betrachtet wird, um ein reibungsloses Funktionieren des Hubs Zürich zu gewährleisten. Unterstützung erhielt das Begehren schliesslich nur von der Linken und teilweise von der Mitte. Mit 110 Nein zu 60 Ja lehnte der Rat einen Minderheitsantrag der Kommission zugunsten des Ansinnens ab. Auf einen Entschärfungs-Vorschlag der GLP, die die Nachtruhe auf 7 Stunden reduzieren wollte, trat er gar nicht ein.

Nach einer ausgedehnten Mittagspause schritt man dann zum Pistenmoratorium, dem einzigen Vorhaben, dem im Vorfeld reelle Chancen eingeräumt worden waren. Zu Recht: Der Rat lehnte den bürgerlichen Minderheitsantrag zur Ablehnung der zweiten Behördeninitiative mit 100 Nein zu 64 Ja bei 7 Enthaltungen klar ab. Auffällig war hier, dass 17 Unterländer Vertreter von SVP und FDP entgegen der Parteiparole zugunsten des Moratoriums stimmten. Die Unterlegenen liessen sich aber nicht lange bitten und erklärten kurz nach der Abstimmung, dass sie die nötigen 45 Unterschriften für ein Behördenreferendum beieinander hätten. Somit kommt es voraussichtlich im September zu einer Flughafen-Abstimmung mit den zwei Vorlagen Fairflug und Pistenmoratorium. In der Debatte hatten die Vertreter der SVP- und FDP-Mehrheiten vor Denkverboten in der Pistenfrage gewarnt. Es gehe nicht an, dass selbst die Planung untersagt werde, sagte stellvertretend der kantonale FDP-Präsident Beat Walti. Die Befürworter meinten dagegen, dass sich mit dem Pistenmoratorium eine bessere Planungssicherheit für die Gemeinden einstellen werde.

Freude im Norden – Süden enttäuscht
Die Reaktionen auf den Entscheid des Kantonsrats fielen dort sehr positiv aus, wo man die grössten Auswirkungen einer Pistenverlängerung befürchtet: im Norden und Osten des Flughafens. Die Region Ost sprach von einem «ermutigenden Zeichen» und die IG Nord von einem Entscheid zugunsten einer «gerechten Luftfahrtpolitik». Der Bürgerprotest Fluglärm Ost ortete eine «klare Abfuhr für die Mega-Hub-Träume der Flughafenturbos». Enttäuscht reagierte dagegen das Komitee weltoffenes Zürich; es mangle dem gestrigen Entscheid des Parlaments der Weitblick, heisst es in einer Mitteilung. Der Verein Flugschneise Süd – Nein schliesslich beklagt die Diskussionsverweigerung durch das Parlament.

NZZ, 24.02.2009


siehe auch:
Für Pistenausbau-Verbot - gegen Plafonierung (NZZ, 23.02.2009)
Kommentar: Unnötiges Schaulaufen (NZZ) (NZZ, 23.02.2009)
Von Freude bis Enttäuschung (ZOL, 23.02.2009)
Denkverbot ist destruktiv (ZSZ, 24.02.2009)
Freude im Osten, Frust im Süden (Schaffhauser Nachrichten, 24.02.2009)
Von Freude bis Enttäuschung (ZOL, 24.02.2009)
Pistenausbau unerwünscht (ZU, 24.02.2009)