Von Liliane Minor
Zürich. – Eine Volks- und zwei Behördeninitiativen stehen am Montag auf der Traktandenliste des Kantonsrats. Alle haben sie das Ziel, die Lärmbelastung für die Bevölkerung rund um den Flughafen zu senken – die Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, sind allerdings sehr unterschiedlich (siehe auch Übersicht unten). Die Volksinitiative mit dem Titel «Fairflug» will An- und Abflüge so verteilen, dass alle Regionen zeitweise Ruhe haben. Eine Behördeninitiative möchte die Zahl der Flugbewegungen auf 320 000 reduzieren und die Nachtruhe auf acht Stunden erhöhen, die andere verlangt ein Verbot von Pistenausbauten.
Eine realistische Chance auf ein Ja hat nur das Ausbauverbot. Dafür verantwortlich sind unter anderem die bürgerlichen Kantonsräte aus dem Zürcher Unterland. «Wir haben uns abgesprochen und werden alle Ja stimmen», sagt Martin Mossdorf (FDP, Bülach). Das bestätigt auch Werner Bosshard (SVP), der als ehemaliger Gemeindepräsident von Rümlang die Behördeninitiative persönlich unterzeichnet hat.
Kein Fraktionszwang bei SVP und FDP
Mindestens in der FDP werden aber auch Parlamentarier aus dem Osten des Flughafens für das Ausbauverbot stimmen – allen voran Fraktionschef Thomas Vogel (Illnau-Effretikon). Er hat kein Problem mit der Uneinigkeit in seiner Fraktion: «Wir haben das eingehend diskutiert, und es hat sich niemand in der Fraktion daran gestört. » Anders in der SVP. Deren Verkehrsspezialist Lorenz Habicher (Zürich) macht keinen Hehl daraus, dass ihn die Spaltung stört. Er hofft, «dass wir trotzdem ein Nein hinbekommen». Fraktionszwang sei aber kein Thema, versichert Habicher.
Die pure Einigkeit herrscht allerdings auch auf der anderen Ratsseite nicht. Vor allem in SP und CVP sind einzelne Enthaltungen oder sogar Gegenstimmen hauptsächlich von Politikern aus der Südschneise und aus Zürich zu erwarten, aber deutlich weniger als Ja-Stimmen auf bürgerlicher Seite.
«Fairflug» im Parlament chancenlos
So erwartbar das Ja beim Ausbauverbot ist, so sicher ist das Nein zur «Fairflug »-Volksinitiative. Selbst Grüne lehnen das Anliegen ab. Es sind lediglich vereinzelte Ja zu erwarten, aber aus dem ganzen Ratsspektrum.
Zu einer Überraschung könnte es je nach Verlauf der Debatte bei der anderen Behördeninitiative kommen. Unterstützt wird das Anliegen zwar nur von Grünen und SP, während aus den meisten anderen Fraktionen, selbst aus der SVP, höchstens einzelne Ja-Stimmen zu erwarten sind. Damit wäre die Sache klar – hätte nicht Benno Scherrer (GLP, Uster) einen Gegenvorschlag eingereicht. Hauptkritikpunkt an der Initiative sind die acht Stunden Nachtruhe, und genau diese Kritik nimmt Scherrer auf: Er schlägt denselben Plafond vor, aber mit sieben Stunden Nachtruhe.
Reaktion des Bundes ist unklar
Wie auch immer der Rat und im September allenfalls die Stimmbürger entscheiden werden: Ein Problem haben alle Anliegen gemeinsam. Flughafenpolitik ist in erster Linie Bundessache. Und die Anliegen kommen sehr spät. Denn das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) arbeitet bereits am Schlussbericht zum genannten Sachplan Infrastruktur Luft (SIL). Wie dieser aussehen wird, ist in groben Zügen längst klar: Vorgesehen sind drei Betriebsvarianten, wovon sich zwei auf das momentane Betriebssystem stützen. Die dritte basiert auf einer Verlängerung der Piste 10/28 nach Westen, was zur Folge hätte, dass ein grosser Teil der heutigen Südanflüge über den Osten geführt werden könnte.
Welche Auswirkungen die Initiativen, die am Montag zur Sprache kommen, in Bern haben und ob sie überhaupt berücksichtigt werden, wollte Bazl-Sprecher Daniel Göring dem TA nicht sagen.
Tages-Anzeiger, 20.12.2008, Seite 17