Im September 2009 werden die Zürcher Stimmbürger allem Anschein nach über das Pistenmoratorium zu befinden haben. Der Kantonsrat steht kurz vor einem Entscheid zugunsten der entsprechenden Behördeninitiative, und ein Referendum ist wahrscheinlich.
ark. Die Traktandenliste der kantonsrätlichen Kommission für Energie, Verkehr und Umwelt (Kevu) ist derzeit reich befrachtet mit Flughafen-Vorlagen. Nicht weniger als drei Initiativen befinden sich in der Pipeline (siehe Kasten). Dass eine derart geballte Ladung der Entscheide harrt, ist gewollt. Die Mehrheit der Kommission hat beschlossen, alle drei Vorlagen gleichzeitig zu verabschieden, um so nach Möglichkeit Anfang kommenden Jahres im Kantonsrat nur eine einzige Flughafendebatte führen zu müssen.
Bürgerliches Postulat stand am Anfang
Diese Kommissionsentscheide stehen kurz bevor. Gemäss verschiedenen gut informierten Quellen soll dies am 2. Dezember der Fall sein. Kein grosses Geheimnis ist angesichts der Brisanz auch die Stimmungslage in der Kevu. Die Behördeninitiative I ist demnach ebenso zum Scheitern verurteilt wie die sogenannte Fairflug-Volksinitiative. Ersterer werden keine Chancen eingeräumt, weil sie mit acht Stunden eine Nachtruhe vorschreiben will, die selbst den meisten Flughafenkritikern als zu lang erscheint. Die Volksinitiative wiederum wird auch im Rat weitherum als untaugliches Instrument betrachtet, weil eine noch stärkere Verteilung von Fluglärm über sämtliche Regionen bei der Mehrheit unerwünscht ist.
Die Behördeninitiative II für ein Pistenmoratorium dagegen scheint in der Kommission eine komfortable Mehrheit hinter sich vereint zu haben. Sie wird nicht nur von der Linken, sondern auch von einigen Bürgerlichen gutgeheissen. Die Idee eines Pistenmoratoriums geht auf ein Postulat des heutigen Nationalrats Urs Hany (cvp., Niederhasli) sowie der beiden Kantonsräte Hans Frei (svp., Regensdorf) und Martin Mossdorf (fdp., Bülach) aus dem Jahr 2005 zurück. Sie forderten damals eine Richtplanrevision ohne Veränderungen am Pistensystem, um so Planungssicherheit für das Unterland zu schaffen. Dieser Gedanke stand auch bei der Lancierung der Behördeninitiative im Vordergrund, wie FDP-Kantonsrat Werner Scherrer aus Bülach erklärt. Er werde dem Vorhaben sicher zustimmen, da man im Unterland heute wegen der ungewissen Lärmsituation oft länger auf Baubewilligungen warten müsse als in anderen Kantonsteilen oder unter Umständen gar nicht mehr bauen dürfe. Scherrer ist kein bürgerlicher Einzelfall. Hinter dem Ansinnen steht auch der Rümlanger SVP-Kantonsrat Werner Bosshard, der die Pistenverlängerung als «territorialen Eingriff» eines langjährigen guten Nachbars empfindet. Sein Ratskollege und SVP-Fraktionschef Hans Frei macht kein Hehl aus seiner persönlichen Zustimmung, betont aber, dass dies nicht als Präjudiz für einen Fraktionsentscheid gelten dürfe.
Keine Rückzugspläne bei «Fairflug»
Fest steht bereits, dass SVP und FDP in der Kantonsratsdebatte, die voraussichtlich im kommenden Februar stattfindet, gespalten sein werden. Man kann davon ausgehen, dass praktisch sämtliche Vertreter aus dem Unterland dem Pistenmoratorium zustimmen werden. Da die Linke und die CVP der Behördeninitiative aufgrund der bisherigen Meinungsäusserungen ebenfalls fast unisono zustimmen werden, ist die Mehrheit im Kantonsrat so gut wie sicher. Ebenso wahrscheinlich ist, dass dies die bürgerlichen Kräfte, die vorbehaltlos hinter dem Flughafen stehen, nicht goutieren werden. Hinter den Kulissen geht man davon aus, dass gegen den prognostizierten positiven Ratsentscheid das Referendum ergriffen würde. Dieses käme dann zusammen mit der Fairflug-Initiative an die Urne. Als wahrscheinliches Datum gilt der 27. September 2009. Dies ist laut der kantonalen Verwaltung der letztmögliche Termin für die Fairflug-Abstimmung. Auf Anfrage erklärte der Präsident des Initiativkomitees, Kurt Klose, er sehe derzeit keinen Anlass, einen Rückzug der Initiative überhaupt zu erwägen.
Mit dem skizzierten Ablauf, der von Beobachtern als sehr wahrscheinlich taxiert wird, geht die kantonale Politik auf Kollisionskurs mit der nationalen. Im SIL-Prozess, der im Jahr 2010 abgeschlossen werden soll, gilt die Variante J mit Pistenverlängerung als gesetzt. Sollte das Zürcher Volk einem Moratorium zustimmen, müsste man in Bern noch einmal über die Bücher.
Drei Flughafen-Initiativen hängig
ark. Bei der zuständigen Kantonsratskommission sind drei Initiativen zu Flughafenfragen hängig. Es handelt sich um die folgenden Begehren:
Behördeninitiative I: Eingereicht von 69 Gemeinden im Juli 2006, vorläufig unterstützt vom Kantonsrat im November 2006. Verlangt eine Plafonierung bei 320 000 Flugbewegungen jährlich und eine Nachtruhe von 8 Stunden.
Behördeninitiative II: Eingereicht von 42 Gemeinden im November 2006, im April 2007 vom Kantonsrat vorläufig unterstützt und von der Regierung Anfang Oktober 2008 abgelehnt. Verlangt vom Staat, sich im Rahmen seiner Raumplanungs-Kompetenzen und seiner Stellung als Unique-Aktionär und -Verwaltungsratsmitglied dafür einzusetzen, «dass Neubauten oder Ausbauten von Pisten unterbleiben».
Volksinitiative Fairflug: Eingereicht von einem Komitee aus Kreisen der im Osten des Flughafens beheimateten Bürgerinitiative Fluglärmsolidarität im April 2007, im Dezember 2007 vom Regierungsrat abgelehnt. Verlangt eine «faire und ausgewogene Verteilung» der Anflüge mittels Rotation und Zeitfenstern, die Öffnung der Piste 32 für Anflüge sowie Abflüge ohne Zusatzschlaufen über der Flughafenregion.