Vor genau fünf Jahren starteten die Südanflüge über die Goldküste. Die Gegner trafen sich gestern früh am Forch-Denkmal und bekundeten ihren Willen, hartnäckig weiterzukämpfen.
Andreas Faessler
Ausgesteckte Fackeln am Wegrand, ungezähmtes Schneegestöber, Wind und eine Temperatur um den Gefrierpunkt: Am frühen Donnerstagmorgen macht sich auf der Forch Weihnachtsstimmung breit. Doch was hier stattfindet, ist kein Freudenfest. Zum fünften Jahrestag der ersten Südanflüge treffen sich die Fluglärmgegner vom Pfannenstiel, die selbsternannten «Schneiser», pünktlich um 5.55 Uhr beim Forch-Denkmal. Die Freude der Organisatoren ist gross, als sich eine lange Menschenkolonne durch den schienbeintiefen Neuschnee zielstrebig bergwärts kämpft. Viele tragen Lampions mit sich, was das Szenario in eine fast gespenstische Stimmung taucht. Schliesslich versammeln sich rund 150 Schneiser am Fuss des Denkmals, um sich mit schneebedeckten Kappen, Kapuzen und Schirmen die Reden der Initianten anzuhören. Unter den Frühaufstehern sind Thomas Morf, Präsident des Vereins «Flugschneise Süd - Nein» (VFSN), Nationalrat Filippo Leutenegger und der grün- liberale Kantonsrat Thomas Maier. Auch die Gemeindepräsidenten Max Baumgartner aus Küsnacht und Hermann Zangger aus Zumikon sind zu so früher Stunde am Ort des Geschehens. Sie alle äussern ihre Freude über das zahlreiche Erscheinen und über die Solidarität unter den Gegnern der Südanflüge, die offenbar auch durch widrigste Wetterumstände nicht zu erschüttern ist. «Schneiser sind härti Chäibe», betont Thomas Morf mit Überzeugung.
Der Unmut ist gewachsen
Die Reden von Thomas Morf, Filippo Leutenegger und Thomas Maier vermitteln eine einheitliche und unmissverständliche Botschaft: Der Unmut und der Verdruss über das Agieren der Behörden im Zusammenhang mit den Südanflügen ist unter den Schneisern so gross wie noch nie. Das zeigt sich besonders deutlich, als das Dröhnen der ersten Maschinen über die Forch hinwegschallt. Als Zeichen des Widerstandes wird mit einer Lampe zum Himmel geleuchtet. «Die Beschwerden tausender Bürger sind unbeantwortet geblieben. Unser Glaube an den Rechtsstaat existiert nicht mehr», empört sich Thomas Morf. Die Erwähnung von Moritz Leuenberger wird mit lauten Buh-Rufen quittiert und macht die Wut der Schneiser auf den Bundesrat deutlich. Auch die Flughafenbetreiberin Unique und die Lufthansa werden mit scharfen Worten kritisiert, der Profitgier und Gesetzesmissachtung angeklagt. In einem Punkt wird der Konsens aller Anwesenden besonders deutlich: Die Gegner der Südanflüge geben nicht auf. Sie kämpfen mit aller Hartnäckigkeit weiter, um ihre beiden Hauptziele zu erreichen. Nämlich die Südanflüge per sofort zu stoppen und den gekröpften Nordanflug einzuführen. Und sie sind überzeugt, dass sie es schaffen werden - auch wenn es weitere fünf Jahre dauert.
Edgar Blum, Fällanden:
«Harter Kern bleibt»
«Der Aufmarsch heute Morgen war sensationell, die Stimmung wunderbar. Der Anlass hat gezeigt, dass die Solidarität unter den Schneisern ungebrochen ist. Der harte Kern – und dazu gehöre ich als Vorstandsmitglied des VFSN – steht immer noch voll hinter dem Protest. Trotzdem glaube ich, dass wir in fünf Jahren nicht mehr hier stehen müssen: Bis dann wird dank technischen Innovationen ein anderes Anflugregime herrschen.» (amo)
Margarita Zemp, Gockhausen:
«Respekt vor Natur»
«Dass ich hier bin, ist selbstverständlich: Es ist viel schwieriger, mit dem andauernden Rechtsbruch zu leben, als einmal früh aufzustehen. Ich hoffe, dass in fünf Jahren kein Protest mehr nötig sein wird – irgendwann wird es auch für uns Schneiser einen Freudenanlass geben. Die Welt sollte aber zur Einsicht kommen, dass dieses unselige Herumfliegen aufhören muss. Die Natur verdient Respekt. Es müssen ja nicht immer Ferien in der Karibik sein!» (amo)
Matthias Zubler, Forch:
«Werden gewinnen»
«Über lange Jahre habe ich an den Anlässen des VFSN teilgenommen und sie zum Teil mitorganisiert. Somit war klar, dass ich auch heute Morgen, trotz der Kälte, dabei sein würde. Ich befürchte, dass wir auch in fünf Jahren noch hier stehen werden. Der Kampf wird lange dauern, aber wir werden ihn gewinnen. Einzig und allein die Politik ist der Grund für die Verzögerung – der gekröpfte Nordanflug wäre technisch längst realisierbar.» (amo)
Waltraud Borsodi, Egg:
«Solidarisch sein»
«In Egg erwache ich zwar auch wegen der Flugzeuge, aber viele haben dort kein Verständnis für meinen Protest. Ich bin solidarisch mit jenen, die direkt unter der Anfluglinie wohnen. Eigentlich bin ich entsetzt, dass nicht mehr Schweizer so denken. Der Wohlstand scheint müde und desinteressiert zu machen. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Die Lösung des Südanflug-Problems hängt von den Politikern ab: Sie müssen für das Volk einstehen.» (amo)
siehe auch:
5 Jahre illegale Südanflüge (VFSN, 05:55 Uhr Forchdenkmal)
Fünf Jahre und kein Ende in Sicht? (ZSZ, 14.10.2008)
5 Jahre Südanflüge (Leserbriefe ZSZ, 14.10.2008)
Kämpfer und Seelsorger (ZSZ, 17.10.2008)
«Nachts hört man hier jedes Reh» (ZU, 25.10.2008)
«Wir müssen den Druck aufrechterhalten» (ZSZ, 25.10.2008)
Glaube an Rechtsstaat verloren (ZSZ, 28.10.2008)
Fünf Jahre Südanflug sind genug! (PR-indside, 28.10.2008)
Der Tag, an dem die Ruhe endete (ZSZ, 29.10.2008)
«Ohne Zugeständnisse keine Pistenverlängerung» (NZZ, 30.10.2008)
Schneiser trotzten Schnee (ZOL, 30.10.2008)
«Trölerisches Verhalten von Gerichten und Politik» (NZZ, 30.10.2008)
Demo Südanflüge (Video Schweiz Aktuell, 30.10.2008)
Morgendliche Fluglärm-Demo auf der nebligen Forch (TA, 31.10.2008)
Schneiser schlottern in Scharen (Glattaler, 31.10.2008)
Pfiffe gegen Jets im Schneegestöber (SZ, 31.10.2008)
«Mir Schneiser sind härti Chäibe» (ZSZ, 31.10.2008)
«Schneiser» trotzen dem Schneegestöber (ZOL, 31.10.2008)