Am 31. Januar 2004, wenige Wochen nach Einführung der Südanflüge, eroberten die «Schneiser» den Zürcher Flughafen. Über 7000 zogen mit gelben Ballonen und Transparenten vor die Terminals, um gegen den Lärm zu demonstrieren.
An der Situation hat sich seither wenig geändert, doch die Zeit der grossen Demonstrationen ist vorbei. Die Vermutung liegt nahe, dass die Bürgervereine und Fluglärm-organisationen ihren Zenit überschritten haben. In den einzelnen Regionen zeigt sich jedoch ein uneinheitliches Bild.
Nördlich des Flughafens setzt sich der Verein «Zürcher Unterland für gerechte Fluglärmverteilung» (ZUF) mit rund 500 Mitgliedern für die Interessen der Bevölkerung ein. Der ZUF kämpfte im vergangenen Herbst für die Plafonierungsinitiative. Seither ist es ruhig geworden.
«An der letzten Generalversammlung haben wir beschlossen, unsere Aktivitäten zurückzufahren», sagt Vorstandsmitglied Rino Keller. Derzeit zahle niemand mehr Mitgliederbeiträge, eine Auflösung sei aber kein Thema. «Wenn sich neue Entwicklung ergeben, sind wir bereit, wieder aktiver zu werden», so Keller.
Einen Schritt weiter gegangen ist der in Winkel beheimatete Verein «IGEL». Ende Februar beschloss er seine Auflösung.
Von solchen Entscheiden ist man im Süden weit entfernt. Der von Thomas Morf angeführte Verein «Flugschneise Süd – Nein» (VFSN) ist nach wie vor die schlagkräftigste und aktivste Bewegung. Mit rund 5000 beziffert Morf die Zahl der Mitglieder, die damit seit vier Jahren ziemlich konstant geblieben ist.
Von Resignation nach dem Nein aus Bern zum Gekröpften Nordanflug sei nichts zu spüren, erklärt Morf. Die Reaktion laute vielmehr: «Jetzt erst recht.» Auch persönlich lässt er sich nicht entmutigen: «Der Kampf gegen den Fluglärm ist für mich ein Projekt, und bei Projekten gibt es immer Vor- und Rückschritte.»
Eine weitere Grossdemonstration hält er derzeit für wenig sinnvoll – er setzt mehr auf politische Arbeit im Hintergrund. Ausserdem treffen sich die Südschneiser weiterhin jeden ersten Sonntag im Monat am Flughafen zu einer Mahnwache. Und mit einer Serie witziger Sommeraktionen macht sich der Verein derzeit auf die Suche nach Fluglärm im Schwarzwald.
Neben dem VFSN scheinen die anderen Gruppierungen im Süden zu verkümmern. Um die Vereine «Zürich Nord gegen Fluglärm» (ZGF) und «Stopp den Südanflügen über Zürich» (StüZ!), die IG Chapf in Zollikon oder die «Aktion für zumutbaren Luftverkehr» (Afzl) ist es ruhig geworden. Presseanfragen werden nicht beantwortet, die Internetauftritte wurden teilweise seit Jahren nicht aktualisiert.
Westlich des Airports prägen die kleineren Vereine den Widerstand. Beispielsweise «Rigel 28» in Rümlang, gegründet zur Bekämpfung einer Verlängerung der Piste 28. Gemäss Vorstandsmitglied Anita Hürlimann haben sich 210 Haushalte als Mitglieder eingeschrieben, diese Zahl sei «stabil bis leicht steigend».
Mit Aktionen versucht man im Gespräch zu bleiben. Etwa am 16. August, wenn Unterschriften für eine überdimensionierte Postkarte zuhanden des Kantonsrats gesammelt werden. Aktiv geblieben ist auch die IG Brego, beheimatet in der Aargauer Mutschellen-Region.
Zu Mitgliederzahlen gibt man allerdings keine Auskunft. Gleiches gilt für die «Vereinigung für erträglichen Fluglärm» (Vefef) in Wettingen und den Verein «Ikarus Erben» im Furttal. Die beiden kleinen Gruppierungen haben es in den vergangenen Jahren aber kaum je geschafft, sich über die lokale Ebene hinaus Gehör zu verschaffen.
Anders im Osten: Der «Bürgerprotest Fluglärm-Ost» (BFO) zählt gemäss Co-Präsident Ralph Weidenmann rund 2300 Mitglieder und wird von 700 Spendern finanziell unterstützt. Doch diese Zahl steige nur noch leicht, räumt Weidenmann ein.
«Unser Potenzial haben wir in etwa erreicht.» Der BFO setzt auf Lobby-Arbeit. «Für eine grössere Protestaktion auf der Strasse fehlt die Empörung in der Bevölkerung. Den Menschen in der Ostschneise muss erst bewusst werden, was auf sie zukommen kann», sagt Weidenmann.
Im Osten konnte sich auch die «Bürgerinitiative Fluglärmsolidarität» (FLS) halten. Gemäss Vorstandsmitglied Beat Menke zählt man knapp 3000 Mitglieder. Die Zahl steige zum ersten Mal seit längerem wieder, insbesondere wegen der möglichen Verlängerung der Piste 28. Diese sorgt auch jenseits der Kantonsgrenze für rote Köpfe. Auch der «Bürgerprotest Fluglärm Hinterthurgau» verzeichnet wachsende Mitgliederzahlen – gegenwärtig sind es 520.
Die meisten Organisationen im Westen, Norden und Osten sind im «Dachverband Fluglärmschutz» zusammengeschlossen. Auch Präsidentin Priska Seiler-Graf hat festgestellt, dass nach der Flughafenabstimmung «die Luft etwas draussen war».
Im Norden habe das Interesse abgenommen, seit das Schreckgespenst Parallelpiste vom Tisch sei. Doch ist sie überzeugt, dass wieder Schwung in die Protestbewegung komme: «Im Westen und Osten wird man sich mit allen Mittel gegen den Ausbau der Piste 28 wehren», prophezeit sie. (mz/ost/dge)