Von Thomas Hurter*
Die Ablehnung des gekröpften Nordanflugs durch den Bund ist vor allem in der Südanflugschneise scharf kritisiert worden (NZZ 04.07.2008). Der Autor dieses Beitrags – ein Linienpilot – ist zwar aus Kapazitätsgründen ebenfalls gegen das neue Verfahren, er kritisiert aber die aus seiner Sicht verfehlte Begründung der Ablehnung mit Sicherheitsbedenken.
Für die Luftfahrt war das Jahr 2001 prägend. Alles, was nur in entferntester Form nach Sicherheit tönt, ist seither per se gut und muss unbedingt umgesetzt werden. Weil aber unser Sicherheitsniveau bereits jetzt schon sehr hoch ist, braucht es enorm viel, um noch ein paar wenige Prozente mehr Sicherheit zu erhalten. Aber dies spielt schon lange keine Rolle mehr. Neue Stellen, Gesetze, Verordnungen und Reglemente werden geschaffen und die Bürokratie ins Unermessliche gesteigert. Niemand wagt, sich diesem fanatischen Sicherheitsdenken entgegenzusetzen, obschon die Fliegerei vor 2001 nicht viel gefährlicher war als heute. Dumme Zufälle wird es leider auch in Zukunft immer wieder geben.
Unverständliche Ablehnung
Einen weiteren Höhepunkt dieser unseligen Entwicklung stellt die Medienmitteilung des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (Bazl) dar, wonach der gekröpfte Nordanflug aus Sicherheitsüberlegungen abzulehnen sei. Es ist schon erstaunlich, dass das Bazl dreieinhalb Jahre brauchte, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen. Die Ablehnung des gekröpften Nordanfluges rein aus Sicherheitsgründen ist unverständlich.
Getrübte Sicht im Bazl
Wie erklären sich die «Experten», dass es auf der Welt sehr viele Anflüge gibt, die nicht auf einem Instrumentenanflug basieren? Sind denn all diese Anflüge unsicher? Haben ortsunkundige Piloten etwa keine Ausbildung genossen? Und sind Piloten nicht geschult worden, wie sie ihre Ressourcen während der Nachtflüge einteilen müssen? Wieso ist es möglich, dass in New York ein Anflug so konzipiert ist, dass die Piloten auf 300 Metern über Grund eine 90-Grad-Kurve vor der Landung ausführen? Operieren auf diesem Flughafen nicht auch internationale Besatzungen, die lange Nachtflüge hinter sich haben, mit den örtlichen Gegebenheiten wenig vertraut sind und im Endanflug mit ungewohnten Manövern konfrontiert werden? Mir scheint, dass die Sicht im Bazl mehr als getrübt ist. Äusserungen, wie diejenige von Bundesrat Leuenberger in der Tagesschau vom 3. Juli 2008, laut denen der gekröpfte Nordanflug «Menschenleben gefährdet», oder diejenige des Bazl- Direktors Cron, gemäss der der «Anflug ein erhöhtes Absturzrisiko birgt», sind völlig deplaciert und tragen leider gar nichts zu einer sachlichen Auseinandersetzung bei. Dass der gekröpfte Nordanflug abgelehnt wird, ist zwar richtig, aber nicht mit einer solch fadenscheinigen Begründung. Vielmehr sprechen Kapazitätsgründe eindeutig gegen seine Einführung, weil die Anzahl der An- und Abflugbewegungen noch weiter eingeschränkt würde. Zusätzlich macht der Anflug nicht von der heute üblichen Technologie Gebrauch. Der Flughafen Zürich gehört schon heute zu den Flughäfen mit den geringsten Bewegungszahlen pro Stunde im Vergleich zu anderen mittelgrossen Flughäfen in Europa. Es ist daher unerlässlich, dass für den Flughafen neue Lösungen gesucht werden und die Verhandlungen mit Deutschland zielstrebig geführt werden. Ob es allerdings klug war, im Verhandlungspoker den Joker «gekröpfter Nordanflug» schon zum Vornherein aus der Hand zu geben, wird sich weisen.
Keine 100-prozentige Sicherheit
Als Pilot würde es mich freuen, wenn wir uns auch in der Zivilluftfahrt wieder vermehrt bewusst würden, dass es nie eine 100-prozentige Sicherheit geben kann. Es ist unbestritten, dass der Grundsatz «safety first» in der Aviatik seine Gültigkeit hat, nur gilt es auch hier, diesen mit gesundem Menschenverstand anzuwenden.
* Der Autor ist Nationalrat (svp., SH), Militär- und Linienpilot.