Der «Gekröpfte» ist zu gefährlich (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Der gekröpfte Nordanflug auf Kloten ist vorerst vom Tisch - wegen Sicherheitsbedenken. Für diesen Entscheid erntet das Bundesamt für Zivilluftfahrt viel Kritik und kaum Beifall.

Raymond Cron, Direktor des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (Bazl), sagte es an der Medienkonferenz in Bern mehrere Male mit Nachdruck: Ein gekröpfter Nordanflug, der nicht auf Satellitennavigation basiert, stelle für die Flugsicherheit einen «deutlichen Rückschritt» dar. Er widerspreche der Luftfahrtpolitik des Bundes, die auf das Prinzip «Safety First» baue. Da zusätzlich auf dem Flughafen Kloten für alle Landungen instrumentengestützte Verfahren in Betrieb sind, lehnt das Bazl das Gesuch zur Einführung des gekröpften Anflugs in der vorliegenden Form ab; eingereicht hatte das Begehren die Flughafenbetreiberin Unique vor dreieinhalb Jahren als Reaktion auf die deutschen Sperrzeiten.

Der «Gekröpfte» hätte zwischen 6 und 7 Uhr morgens die Südanflüge ersetzen sollen, sofern es die Wetterverhältnisse zugelassen hätten. Cron betonte, das Bazl habe sich von rein «sachlich-fachlichen» Überlegungen leiten lassen. Der Entscheid sei kein politisches Geschenk an die Deutschen, die den Gekröpften ablehnen. Ebenso wehrte er sich gegen den Vorwurf, er habe dem Druck der Swiss und der Flugsicherung Skyguide nachgegeben. Diese hatten erklärt, der Gekröpfte weise gegenüber einem Instrumentenverfahren eine tiefere Kapazität auf.

Absturzrisiko: 1,7 Mal grösser

Wie Cron weiter ausführte, operieren auf dem Interkontinentalflughafen in Kloten regelmässig Besatzungen aus fernen Ländern, die mit den lokalen Verhältnissen nicht vertraut sind. Umso wichtiger sei es, dass diesen Piloten Landeverfahren zur Verfügung stünden, die weltweit zum Standard gehörten und im Endanflug nicht «ungewohnte Manöver» erfordern würden. International gesehen, ist der «Gekröpfte» ein Sonderfall, da er teilweise von den internationalen Normen abweicht. Im Vergleich zu einem konventionellen Instrumentenverfahren besteht bei einem solchen Anflug auf den Flughafen ein 1,7 Mal grösseres Absturzrisiko, wie Cron vorrechnete. In dieser Kalkulation nicht enthalten ist der Endanflug, der auf Sicht erfolgt und für den Piloten eine «zusätzliche Arbeitsbelastung» bedeute.

Der Beschluss des Bazl ist kein grundsätzlicher Entscheid gegen den gekröpften Nordanflug an sich, wie Cron klarstellte. Durchführbar und bewilligungsfähig sei dieser jedoch einzig mit Satellitennavigation. Das Bazl sei bereit, gemeinsam mit dem Flughafen die Entwicklung und Zertifizierung von satellitengestützten Anflugverfahren zu entwickeln. Die Erarbeitung der Grundlagen werde allerdings «einige Jahre» in Anspruch nehmen, sagte Cron.

Für seine Haltung gegenüber dem «Gekröpften» erntete das Bazl vor allem Kritik. Nach Ansicht des Regierungsrats und von Unique erfüllt der Anflug alle internationalen Sicherheitsanforderungen und könnte geflogen werden. Im Süden und Osten des Flughafens herrscht Enttäuschung, es ist von einer «verpassten Gelegenheit zur Entlastung von Hunderttausenden von Menschen» die Rede (Verein «Flugschneise Süd - Nein»). Das Argument Sicherheit müsste auch bei den Südanflügen beachtet werden, die über dicht besiedeltes Gebiet fliegen, sagte Marie-Therese Büsser vom Gesundheits- und Umweltdepartement der Stadt Zürich. Der Bund müsse den «Gekröpften» mit Satellitennavigation nun forcieren.

Zufrieden mit dem Entscheid zeigte sich der Kanton Aargau, der von der Flugroute besonders betroffen gewesen wäre. Regierungsrat Peter C. Beyeler (FDP): «Die sachlichen Argumente haben sich gegen den politischen Druck aus dem Süden des Flughafens durchgesetzt.»

Tages-Anzeiger, 03.07.2008


siehe auch:
BAZL lehnt Gesuch für gekröpften Nordanflug ab (BAZL)
BAZL lehnt Gesuch für gekröpften Nordanflug ab (Medienmitteilung VFSN)
Regierungsrat ist enttäuscht über Entscheide des UVEK zum Flughafen Zürich (RR)
Gekröpfter Nordanflug: Ablehnung des Gesuchs unverständlich (Unique)
Heftige Reaktion des Fluglärmforums Süd auf die neusten BAZL-Entscheide (Fluglärmforum Süd) 
«Verliererin beim Gekröpften ist unsere Bevölkerung» (TA)
«Skandal» bis «Erleichterung» (ZOL)
Wirbel um exotischen Anflug eines Airbus (TA)
Bild des Monats Juli 2008: und er kröpft sich doch! (VFSN)
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«Nichts und niemand wird die Südanflüge rückgängig machen» (Leserbriefe TA)
Gekröpfter Nordanflug - ein grosser Verlust (Leserbriefe NZZ)