Oliver Steimann
«Wir rennen gegen verschlossene Türen an. Das ist eine sehr frustrierende Erfahrung.» Olaf Dlugi machte gestern vor den Medien keinen Hehl aus seiner Enttäuschung über den Umgang der Schweiz mit innovativen Vorstössen in der Luftfahrt. Dlugi hat als Vorsitzender des Exekutivkomitees das Projekt «Sesar» geleitet - eine von der europäischen Luftverkehrsindustrie angestossene Initiative, die sich mit Fragen der zukünftigen Nutzung des Luftraums befasst hat. Vor dem Hintergrund bedrohlicher Kapazitätsengpässe, zunehmender Lärmklagen und steigender Umweltbelastungen wurde nach Wegen gesucht, in Zukunft effizienter und emissionsärmer zu fliegen. Für das in Zürich im Vordergrund stehende Problem der Anflüge stellt Dlugi zwei Neuerungen in den Vordergrund. Einerseits den so genannten «Continuous Descent Approach» (CDA): Für den Endanflug fährt der Pilot den Antrieb zurück, sinkt wie mit einem Segelflugzeug gleichmässig ab und gibt erst kurz vor dem Aufsetzen wieder Schub. Andererseits ist es die neue Navigationstechnik «Required Navigation Performance» (RNP): Via Bordcomputer folgt das Flugzeug im Endanflug einem präzise vorgegebenen Weg bis zum Aufsetzpunkt. Mit beiden Techniken lasse sich massiv Kerosin sparen und der Lärmpegel sehr stark senken, so Dlugi.
Interessant für Airlines
Weil bei den derzeitigen Kerosinpreisen mit diesen Techniken viel Geld gespart werden kann, sind sie auch für die Fluggesellschaften hochinteressant. John Walker, General Manager der auf RNP-Anflüge spezialisierten US-Firma Naverus, illustrierte dies am Beispiel von Southwest Airlines. Der grösste amerikanische Lowcost-Carrier investiert derzeit 175 Millionen Dollar, um zukünftig alle 64 von ihm bedienten Flughäfen mit RNP anfliegen zu können. Nach einer sehr erfolgreichen Testphase in Brisbane will auch die australische Qantas das Verfahren auf allen Flughäfen des Landes implementieren. Ein ähnliches Projekt verfolgt die SAS in Schweden. «Wir glauben, dass wir zusammen mit Swiss, Skyguide und Unique auch für Zürich ideale Lösungen finden könnten», so Walker. Lars Lindberg von der auf Anflugverfahren spezialisierten Firma Avtech in Schweden rechnete vor, dass allein die Swiss beim derzeitigen Kerosinpreis in Zürich mit CDA- und RNP-Anflügen 35 Millionen Franken pro Jahr einsparen könnte. Ausserdem hätte deren Einführung eine Konzentration der heute breit gestreuten Flugrouten auf ein vergleichsweise kleines Gebiet zur Folge. «Mit RNP ist es möglich, dicht besiedelten Flächen auch kleinräumig auszuweichen», so Lindberg. «Zürich ist ein Flughafen, der von diesen Techniken optimal profitieren könnte.»
Kein Interesse an Pilotprojekt
In Innsbruck und Stockholm-Arlanda hat man bereits positive Erfahrungen mit den neuen Anflugverfahren gesammelt. Dlugi ist überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis diese Verfahren durch die EU-Kommission verbindlich festgeschrieben werden. Wegen des bilateralen Luftverkehrsabkommens wäre dann auch die Schweiz zu deren Umsetzung verpflichtet. Im Rahmen des «Sesar»-Projekts habe man dem Flughafen Zürich mehrmals angeboten, eine Pionierrolle bei der Umsetzung zu übernehmen. Doch selbst die europaweit besten Fachleute hätten Unique und das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) nicht überzeugen können, hier eine Vorreiterrolle zu spielen. Immerhin hätten Skyguide und neuerdings auch Swiss-CEO Christoph Franz Interesse signalisiert.
Ein gewisses Verständnis
Christian Bretscher vom Verein Pro Flughafen, auf dessen Einladung die Expertenrunde in Zürich weilte, rechnet damit, dass der steigende Kostendruck und knapper werdende Kapazitäten bald zu einem allgemeinen Umdenken führen werden. Die Explosion der Treibstoffpreise habe die Protagonisten auch in der Schweiz auf dem falschen Fuss erwischt und werde sicher Wirkung zeigen. Zudem warb er für ein gewisses Verständnis für die Haltung von Unique. Das schleppende Tempo, das man in Bern bei der Bewilligung des gekröpften Nordanflugs an den Tag lege, animiere die Flughafenbetreiberin nicht dazu, weitere neue Anflugverfahren voranzutreiben.
siehe auch:
SIL muss gestoppt werden! (VFSN)
Kein Interesse an einer Lösung (VFSN)
«Grüne» Anflüge auf Zürich (NZZ)