Interview mit Unique-CEO Thomas Kern (ZSZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Flughafen Thomas Kern hat seinen Rollenwechsel vom Südschneisen-Anwohner zum Unique-CEO vollzogen

Der Fluglärm stört ihn persönlich kaum, trotzdem will Unique-CEO Thomas Kern Verbesserungen anstreben. Für den gekröpften Nordanflug würde er auch deutsche Sanktionen in Kauf nehmen.

Thomas Kern, Sie sind nun schon bald ein halbes Jahr CEO von Unique. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Spannend. Ich wurde von allen Stellen gut aufgenommen. Beeindruckt bin ich von der Führungs- und Fachkompetenz und vom grossen Einsatzwillen aller Beschäftigten.

Sie haben einen Wechsel vom Flughafenanwohner zum Flughafendirektor hinter sich und leben nach wie vor in der Südschneise. Stört Sie der Fluglärm heute weniger?
Der Fluglärm stört mich persönlich nicht, denn ich erwache jeweils vor 6 Uhr. Mich stört aber die Tatsache sehr, dass der Flughafen Zürich gezwungen wurde, Anflüge über dichtestbesiedeltes Gebiet zu führen.

Wie hat sich Ihre Haltung gegenüber den «Schneisern» geändert?
Grundsätzlich möchte ich dazu erwähnen, dass Lärm negativ empfundener Schall ist. Es kommt immer darauf an, welchen Bezug man zur Lärmquelle hat. Das gilt auch bei Kirchen und Kuhglocken. Ich habe grosses Verständnis und Respekt gegenüber den Menschen, die sich durch den Fluglärm belästigt fühlen. Auch gegenüber denjenigen, die ihre demokratisch-rechtsstaatlichen Möglichkeiten einsetzen, um sich gegen zusätzlichen oder neuen Lärm zu wehren. Andererseits muss dem Flughafen eine vernünftige Entwicklungsmöglichkeit im Interesse der Schweizer Wirtschaft offen stehen. Wir haben einen Auftrag für den öffentlichen Verkehr zu erfüllen, und das geht nicht ohne Lärm.

Trotzdem: Kommen Ihre Nachbarn nicht auf Sie zu und fordern Sie auf, etwas gegen den Fluglärm zu unternehmen?
Erfreulicherweise werde ich mit ausgesprochen grosser Fairness behandelt. Ich bekomme Schreiben, in denen die Lärmbetroffenen ihre Hoffnung auf Besserung ausdrücken, aber nie in vorwurfsvollem Ton. Es ist durchaus im Interesse des Flughafens, das Problem zu lösen. Leider geht das nicht von heute auf morgen. Es ist eine Frage der Zeit.

Wie steht es aus Ihrer Sicht um das Image des Flughafens? Sehen Sie diesbezüglich Handlungsbedarf?
Bei den Passagieren ist das Image ausserordentlich gut, der Flughafen gehört zu den beliebtesten Europas. Bei den Anwohnern hingegen muss man differenzieren. Es gibt Fans und Gegner. Selbstverständlich müssen wir an unserem Image arbeiten, unsere Verlässlichkeit unter Beweis stellen und offen ommunizieren, damit wir das Vertrauen der Anwohner gewinnen beziehungsweise halten können. Unser Ziel muss sein, mit dem Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt (SIL) die notwendige Rechtssicherheit zu verschaffen, vor allem im Bereich der An- und Abflugrouten, aber auch der Nachtruhe.

Kürzlich hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sich anlässlich eines Besuches in Bern dezidiert zum Flughafen geäussert. Rechnen Sie noch ernsthaft mit irgendeiner Verbesserung der Situation?
Bundeskanzlerin Merkel hat das schweizerische Verhandlungspaket ganz klar abgelehnt. Sie hat der Schweiz aber das Angebot unterbreitet, eine einvernehmliche Belastungsermittlung auf beiden Seiten durchzuführen. Darauf basierend erwartet sie einen Lösungsvorschlag. Dieser Lösungsvorschlag kann sinnvollerweise nur im Rahmen der SIL-Varianten stattfinden. Die Schweiz muss Frau Merkel beim Wort nehmen. Das ist unsere grosse Chance.

Wie könnte ein solcher Lösungsvorschlag konkret aussehen?
Er wird aus den heutigen drei Grobvarianten herauswachsen müssen - mit oder ohne DVO (Deutsche Verordnung). Die Parallelpiste ist dabei kein Thema.

Grosse Hoffnungen werden in den gekröpften Nordanflug gesetzt. Wie gross schätzen Sie die Chance ein, dass er eingeführt werden kann?
Das müssen Sie das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) fragen. Unser Gesuch ist bewilligungsfähig...

...und könnte somit nur noch an den politischen Hürden scheitern.
Genau.
Wie gesagt, die Antwort kann nur das Bazl geben.

Deutschland droht unverhohlen, im Falle einer Einführung des gekröpften Nordanflugs die Kontrolle über den süd- deutschen Luftraum wieder an sich zu reissen. Ausserdem schränkt der neue Anflug die Kapazität am Morgen empfindlich ein, was insbesondere die Swiss stört. Lohnt sich dieses Wagnis?
Es könnte tatsächlich der Fall eintreten, dass Skyguide die Kontrolle über den süddeutschen Luftraum entzogen wird. Dies käme aber einem ausserordentlich unfreundlichen Akt Deutschlands gleich. Allerdings muss auch unser nördlicher Nachbar als Besitzer der Swiss ein Interesse an einer vernünftigen Weiterentwicklung des Flughafens Zürich haben. Diese ist aber nur im Einklang mit der Bevölkerung möglich. Und wenn die Bevölkerungsmehrheit im belasteten Süden des Flughafens wohnt, muss man nach Lösungen suchen, um den Süden zu entlasten. Der gekröpfte Nordanflug ist somit auch im Interesse der Swiss, selbst wenn er mit einer Kapazitätseinbusse verbunden ist.

Sie rechnen also nicht ernsthaft mit einem unfreundlichen Akt?
Wir müssen mit einer roten Karte rechnen. Wir bekämen so aber ein klares Signal des Nachbarlandes.

Im SIL-Prozess hat sich Unique für die räumliche Absicherung einer Parallelpiste stark gemacht. Die Realisierungschancen sind unter anderem wegen des Moorschutzes aber nicht gegeben. Sollte man sich nicht besser am Machbaren orientieren?
Die räumliche Sicherung der Parallelpiste ist machbar, der Bau und die Realisierung zum heutigen Zeitpunkt hingegen kaum. Ich möchte nochmals betonen, dass es bei der Parallelpiste ausschliesslich um eine vorsorgliche, raumplanerische Sicherung geht, mit Blick auf die nächste Generation. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, diese Entwicklungsmöglichkeit für die Zukunft zu verhindern. Die nächste Generation soll die Möglichkeit haben, ihre Mobilitätsbedürfnisse selber abzuwägen.

Es ist gefordert worden, den SIL-Prozess zu sistieren, nachdem sich mit Deutschland keine schnelle Lösung abzeichnet. Wie stehen Sie dazu?
Wichtig ist jetzt, die Facharbeiten weiterzutreiben. Ebenso wichtig ist es aber, unsere Nachbarn nicht mit einem schnellen Entscheid zu brüskieren.

Das Parallelpistenprojekt würde das Entwicklungspotential der Anrainergemeinden stark einschränken. Dasselbe droht mit der Umsetzung des Zürcher Fluglärm-index (ZFI).
Wir dürfen nicht zulassen, dass immer mehr Leute in diese belärmten Gebiete ziehen und dass so der Flughafen über den ZFI plafoniert wird. Es ist unsere Pflicht, uns - contre cœur - gegen gewisse Entwicklungen zu wehren. Weitere Einsprachen wie jene gegen die neue Bau- und Zonenordnung in Kloten behalten wir uns deshalb vor.

Der Flughafen wächst auch im nicht- aviatischen Bereich stark. Macht es Sinn, ihn trotz der Nähe zu Zürich, Winterthur und dem Glattzentrum als Zentrumsort weiter auszubauen?
Ganz klar ja. Der Flughafen ist der besterschlossene Punkt der Schweiz. Allein die langen Öffnungszeiten der Shops, aber auch das Angebot sind ein Erfolgsfaktor.

Könnten Sie uns etwas mehr zum Ausbauprojekt Butzenbüel verraten?
Der Butzenbüel ist unser grösstes Entwicklungsprojekt. Wir planen eine sichelförmige Überbauung am Fuss des Hügels mit einer direkten Anbindung an den Flughafen. Es soll eine innovative, den Flughafenbetrieb ergänzende Nutzung entstehen, die weit über die Region hinausstrahlt. Die Nutzfläche wird ungefähr 40\'000 Quadratmeter betragen, die maxiale Geschossfläche 200\'000 Quadratmeter. Diese Entwicklung wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren vorangetrieben. Der Investitionsrahmen liegt im Bereich von 1 Milliarde Franken. Momentan laufen Gespräche mit möglichen Interessenten.

Ein weiteres Grossprojekt ist die Umstellung des Flughafens für den Schengen-Beitritt der Schweiz. Würden Sie eine Verschiebung begrüssen?
Wir wären für den Herbst bereit. Die neuste Entwicklung läuft aber in eine andere Richtung: Die Umsetzung von Schengen dürfte nicht zuletzt wegen des Wechsels an der EU-Spitze - im August übernehmen die Franzosen den Vorsitz -, erst im Frühjahr auf den Flugplanwechsel hin Realität werden. Die Terminverschiebung würde uns etwas Luft verschaffen.

Unique ist einige Auslandengagements eingegangen. Wie läuft es im indischen Bangalore?
Wir sind das Projekt unter sehr schwierigen Bedingungen angegangen und werden es erfolgreich zu Ende bringen. Der Flugbetrieb läuft, alles liegt im grünen Bereich. Wir haben unsere Organisation verstärkt, um auch in neuen Märkten ähnliche Projekte anzugehen. Bedingung ist allerdings ein lokaler starker Partner.

Was in Venezuela auf der Isla Margarita ja nicht der Fall ist, wo Unique sich verspekuliert hat.
Unique hat sich in Venezuela nicht verspekuliert. Die politischen Rahmenbedingungen haben sich anders entwickelt als angenommen. Das Gesamtinvestitionsvolumen im Ausland beträgt bei Unique zurzeit lediglich 25 Millionen Franken, davon entfallen 18 Millionen auf Bangalore und der Rest auf neun Flughafenprojekte in Lateinamerika. Auch wenn wir das Geld in Venezuela verlieren würden, was ich nicht glaube, wäre dies lediglich eine schmerzliche Erfahrung.

Blicken wir etwas weiter in die Zukunft: Wo steht Unique in fünf Jahren?
Fünf Jahre sind eine lange Zeitspanne. Für die nähere Zukunft sehe ich trotz einiger Wolken am Konjunkturhimmel eine positive Entwicklung. Wir wachsen im Durchschnitt sowohl auf der Passagier- wie auf der Kommerzseite um die zehn Prozent, es läuft also gut. In fünf Jahren werden wir über ein neues Fingerdock B und eine zentralisierte Sicherheitskontrolle verfügen und die erste Bauetappe am Butzenbüel gestartet haben.

Erwarten Sie auch kurzfristig keinen Einbruch - trotz der hohen Kerosinpreise, die das Reisen verteuern?
Beim Flugplanwechsel im Herbst könnten eventuell erste Wolken am Himmel aufziehen, wenn gewisse Fluggesellschaften über ihre Verbindungen nach Zürich nachdenken. Die hohen Kerosinpreise dürften Zürich aber weniger hart treffen, weil Zürich weniger abhängig von den Lowcost-Carriern ist als andere Flughäfen. Konkrete Signale der Airlines haben wir noch keine bekommen.

ZSZ, 19.06.2008

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