Am 29. April wird Angela Merkel mit Bundespräsident Pascal Couchepin und mit Aussenministerin Micheline Calmy-Rey auch den Fluglärm-Streit zwischen Deutschland und der Schweiz erläutern. Im verfahrenen Dossier soll eine Einigung eingeläutet werden. Das hatten Couchepin und Angela Merkel bereits am 11. Februar in Berlin vereinbart. Der Bundespräsident forderte dort, dem Problem müsse mehr Bedeutung beigemessen werden. Merkel sagte, man werde Ende April in Bern sehen, «ob wir einen Schritt tun können oder ob noch etwas Arbeit erforderlich ist». Inzwischen hat das EDA konkrete Projektideen vorbereitet, was den Deutschen angeboten werden könnte, um sie nach der Ablehnung des Staatsvertrags durch die Schweiz wieder verhandlungswillig zu machen (TA vom 11. April).
Jetzt schaltet sich auch die Wirtschaft beidseits des Rheins erstmals in den Zwist ein. Anfang März schrieben drei Wirtschaftsvereinigungen in einem offenen Brief an Merkel und an Couchepin, es brauche eine Lösung, zumal die Unternehmer bereits genug unter komplizierten Verfahren an der Grenze litten. Kurz vor Merkels Staatsbesuch erhöhen die Wirtschaftsvertreter nun den Druck. Die Vereinigung Unternehmerinitiative Schweiz - Deutschland veröffentlichte am letzten Freitag ein Forderungspapier für «optimale internationale Erreichbarkeit mit entsprechenden Anflugsmöglichkeiten». Der Aufruf an die Politik: Sie müsse «den Handlungsbedarf erkennen und die Forderung der Wirtschaft zeitnah umzusetzen».
Die Vereinigung Schweizerischer Unternehmen in Deutschland (VSUD) wiederum fürchtet zwar den politischen Widerstand aus Baden-Württemberg. Doch die 32 im Vorstand vertretenen Unternehmen wie etwa die Lonza AG, die Swiss Life oder Novartis, Migros, die UBS und die ABB wollen nun einen Fortschritt. VSUD-Geschäftsführer Rolf Lüpke drängt auf eine Lösung, die zwischen Bern und Berlin auszuhandeln sei: «Wir erwarten konkrete Ergebnisse vom Staatsbesuch Merkels in der Schweiz.»
Ministerpräsident Oettinger redetFür rund 1000 Schweizer Unternehmen in Deutschland gehe es nämlich um einen üblen Streit, der sie zusehends störe und beeinträchtige. VSUD-Präsident Otto H. Suhner, Präsident der Suhner Holding AG, findet es zwar «einen überheblichen» Anspruch, alle Politiker dies- und jenseits der Grenze auf die Seite der Wirtschaft bringen zu wollen. «Doch wir fordern die Politik auf, nun gemeinsam nach einer fairen Lösung zu suchen», sagt er.
Deshalb sei es wichtig, was Günther Oettinger, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, am kommenden Freitag im Zürcher Zunfthaus zur Meisen sagen werde. Dann trifft sich der VSUD zur Generalversammlung, an welcher Oettinger über Baden-Württemberg und die Schweiz als «Nachbarn und Partner im internationalen Wettbewerb» reden wird. Lüpke und Suhner erwarten von Oettinger, «dass dieser auf unsere Anliegen eingeht».
Einen Vorgeschmack, wie es tönen könnte, gab Oettinger schon vor rund einem Jahr. Damals warf ein offener Brief des Zürcher Stadtpräsident Elmar Ledergerber an den CDU-Politiker Oettinger hohe Wellen. Ledergerbers Provokation, er höre in der Schweiz «Leute, die immer drängender fordern, man müsse endlich Gegenmassnahmen ergreifen», kam schlecht an. Oettinger antwortete Ledergerber, wer eine Lockerung der süddeutschen Anflugbeschränkungen wolle, müsse «viel stärker als bisher um Vertrauen werben und Argumente vorlegen».
Vorarbeit seit 2006
Bern. - Der deutsche Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee hatte im November 2006 zwar Nein gesagt. Damals lehnte er die Idee einer «Paketlösung» zur Lösung des Fluglärm-Konflikts in Anwesenheit von Moritz Leuenberger in Berlin ab. Kurze Zeit später unterzeichneten die Schweiz und Deutschland jedoch eine Übereinkunft. Die dem TA vorliegende Vereinbarung zwischen dem Staatsministerium Baden-Württemberg und dem Departement für auswärtige Angelegenheiten regelt ein «Arbeitsprogramm Schweiz - Baden-Württemberg». Im Papier heisst es, «Themen für die Zusammenarbeit» sollten in «eine Diskussion über den Flughafen Zürich» münden.
Jetzt liegen fünf konkrete grenzüberschreitende Projekte (Bahnausbau, Autobahnbau, Lkw-Verkehr, Dienstleistungsverkehr und eine Beteiligung an der Flughafen AG) vor. Diese Angebote sollen die Deutschen zurück an den Verhandlungstisch bringen. Ziel wäre im Idealfall ein neuer Staatsvertrag. (mut)
siehe auch:
5-Punkte-Plan gegen Fluglärmstreit (NZZ)
Auf bessere Nachbarschaft (NZZ)
Neue Offerte soll den Fluglärmstreit beenden (TA)
Fluglärmgegner warnen Merkel vor Schweizer Offerte (TA)