Bund und Kantone treffen sich heute zu einem entscheidenden Gespräch über die zukünftigen Betriebsvarianten für den Flughafen Zürich. Dabei geht es um mögliche Pistenverlängerungen, die Verteilung des Fluglärms und damit um den Rahmen für die Raumplanung im Umfeld des Flughafens.
bbu. Die drei Buchstaben «SIL» stehen nicht für ein abstraktes Gebilde, sondern für Pläne, die für Hunderttausende von Einwohnern des Kantons Zürich und der angrenzenden Gebiete höchst konkrete Folgen haben können. Mit dem «Sachplan Infrastruktur Luftfahrt» soll nämlich die Grundlage für ein definitives Betriebsreglement des Flughafens Zürich geschaffen werden.
Viel steht auf dem Spiel
Weil damit auch das künftige Anflugregime definiert werden muss, geht es um die zentrale Frage nach der Verteilung des Fluglärms. Damit würde auch der Rahmen für die Raumplanung rund um den Flughafen auf Jahrzehnte hinaus definiert. Für die betroffenen Regionen, Gemeinden und Anwohner steht im SIL-Prozess also einiges auf dem Spiel.
Heute Donnerstag findet das dritte und letzte Koordinationsgespräch zwischen dem Bund und den Kantonen statt. Die Zürcher Regierung will dabei ihre Haltung zu den vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) am 1. Februar vorgestellten drei Betriebsvarianten für den Flughafen erklären. Zwei von ihnen kommen mit dem bestehenden Pistensystem aus und eine dritte mit einer oder zwei Pistenverlängerungen. Die Variante Parallelpisten steht für den Bund hingegen nicht im Vordergrund. Allerdings zitiert das Bazl Untersuchungen, die zeigen, dass die zu erwartende Verkehrsnachfrage in nur durch Parallelpisten abgedeckt werden könnte.
Parallelpiste nur Zukunftsoption
Der Flughafen selber hat klargemacht, dass er grundsätzlich mit allen Varianten leben kann. Allerdings warnte der neue Flughafen-CEO Thomas Kern davor, dem Flughafen den Entwicklungsspielraum durch ein zu enges Korsett buchstäblich zu verbauen. Um das zu vermeiden, gebe es es aus heutiger Sicht nur eine Möglichkeit, nämlich die raumplanerische Sicherung einer Parallelpiste.
Regionale unterschiedliche Präferenzen
Das Bazl, der Kanton Zürich und die Flughafengesellschaft hatten zuvor Ende 2006 insgesamt 19 technisch mögliche Varianten erarbeitet. Es war aber klar, dass mehrere davon die politische Auseinandersetzung nicht lange überleben werden. Dabei zeigte sich, dass die zwölf Zürcher Bezirke unter sich stark divergierende Präferenzen haben. Anlässlich einer sogenannten konsultativen Konferenz befürworteten die Bezirke in der südlichen Hälfte zwei verlängerte Pisten, während im Westen, Norden und Osten des Flughafens alle Bezirke - und damit zahlenmässig die Mehrheit - für ein unverändertes Pistensystem plädierten.
Für die federführende Regierungsrätin Rita Fuhrer war es damit nicht einfach, eine Quintessenz aus der Vernehmlassung zum SIL-Prozess zu ziehen. Grundsätzlich wird sie nicht darum herumkommen, eine Mehrheit für die Beschränkung auf das bestehende Pistensystem zu konstatieren - sofern man in diesem nicht demokratisch legitimierten Verfahren überhaupt von Mehrheiten reden will.
Fuhrer im Dilemma
Damit gerät die Volkswirtschaftsdirektorin aber in ein Dilemma. Denn die Kantonsregierung hatte schon im Juli 2007 beschlossen, dass sie sich die Option Pistenverlängerung offenhalten will. Nun wird Fuhrer entscheiden müssen, ob sie dem Regierungsrat eine erneute Kehrtwendung beantragen oder das Ergebnis der Vernehmlassung zumindest sehr grosszügig zugunsten der bisherigen Position der Regierung interpretieren will. Dem gigantischen Projekt für zwei Parallelpisten in Kloten hat der Regierungsrat demgegenüber schon immer eine deutliche Absage erteilt.
Gegen das Vorgehen Fuhrers protestierte am Montag vorsorglich bereits eine Gruppe von Parlamentariern aus Dübendorf und Schwamendingen, die für sich in Anspruch nehmen, nicht nur die Anliegen des Südens zu vertreten. Sie kritisierten die «Intransparenz» im SIL-Prozess. Klar sei bisher nur, dass es um Kapazitätssteigerungen bei den Flugbewegungen gehe.
Auf unsicherem Boden
Der weitere SIL-Verhandlungsprozess steht aber teils auf unsicheren Boden, weil eine Reihe äusserer Faktoren noch nicht geklärt ist. Erstens wird viel davon abhängen, ob die Verhandlungen mit Deutschland über die Nordanflüge wieder in Gang kommen. Die vom Kanton Aargau heftig bekämpfte Variante eines gekröpften Nordanflugs ist eine weitere Variable im Spiel. Komplizierend kommt hinzu, dass neben den Anflügen auch neue Ablugvarianten Opposition hervorrufen: Die Gemeinden im Süden des Flughafens wehren sich gegen Südstarts ohne anschliessende Linkskurve, wie sie bisher üblich waren.
Dies alles zieht den Entscheidungsprozess zusätzlich in die Länge. Der SIL-Prozess gleicht damit einem Hürdenlauf über eine Langstrecke. Ursprünglich war ein Abschluss per Ende 2007 vorgesehen, später war vorübergehend Ende 2008 als Zeithorizont im Gespräch, und im vergangenen Juli stellten die Verantwortlichen dann einen Abschluss bis 2009 in Aussicht. Beim Bazl hofft man inzwischen darauf, dass die Arbeiten zumindest im Jahre 2010 abgeschlossen werden können.
siehe auch:
Regierungsrat nimmt Stellung zu den optimierten Betriebsvarianten für den Flughafen Zürich (RR)
Stellungnahme des Zürcher Regierungsrates zu den SIL Varianten (Medienmitteilung VFSN)