Die Luftfahrt will ihren Kohlendioxidausstoss senken. Kontinuierliche Anflüge ab der Reiseflughöhe im Leerlauf sollen einen Beitrag dazu leisten. Was in Schweden seit zwei Jahren erprobt wird, liegt auch im Interesse der Lärmverminderung, der Flugsicherheit und einer besseren Steuerung der Verkehrsabläufe in der Luft und auf den Flughäfen.
met. Gut 20 Minuten nach dem Verlassen der Reiseflughöhe rührt der Captain des SAS-Fluges von der nordschwedischen Stadt Luleå nach Stockholm die Leistungshebel der Boeing 737-800 erstmals wieder an. Während der gesamten Zeit des gleichmässigen Absinkens über eine Strecke von gut 150 Kilometern flog der Jet im Leerlauf. Kurz nach einer kleinen Erhöhung des Schubes für das Ausfahren der Landeklappen und des Fahrwerks setzt das Flugzeug auf dem Flughafen Arlanda auf. Für die 700 Kilometer lange Strecke hat die Boeing auf dem knapp einstündigen Flug 200 Kilogramm weniger Treibstoff als üblich verbraucht und darüber hinaus geringeren Lärm im Anflug verursacht. Ausserdem stimmte das Timing des Fluges ungewöhnlich genau: Nur 2 Sekunden nach dem Zeitpunkt, den die Fluggesellschaft und die Flugsicherung erwartet hatten, erreichte Kurs Scandinavian Airlines (SAS) 007 wieder den Boden.
Präzis berechneter Landezeitpunkt
Der hier beschriebene Flug hat im Januar 2006 stattgefunden. Damals begann die Testphase der Fluggesellschaft SAS für die Einführung der sogenannten «Green Approaches», das heisst des kontinuierlichen Sinkflugverfahrens (Continuous Descent Approach, CDA). Seither ist die Prozedur auf dem Flughafen Stockholm Arlanda über 2000-mal angewendet worden. Es ergab sich, dass Flüge von Kurzstrecken-Jets durchschnittlich 150 Kilo Treibstoff einsparen konnten. Natürlich ist das Sparpotenzial bei dichterem Verkehr und bei grösseren Flugzeugen höher. Im vergangenen Dezember haben deshalb die Vorarbeiten für «grüne Anflüge» auch mit dem Langstreckenflugzeug A330 begonnen. SAS-Ingenieure haben ausgerechnet, dass der CO 2 -Ausstoss im vergangenen Jahr um gut 50 000 Tonnen hätte reduziert werden können, wenn in Arlanda alle rund 108 000 Landungen nach dem neuen Verfahren abgewickelt worden wären.
Das Geheimnis der neuen Technik liegt darin, dass die Besatzungen in die Lage versetzt werden, den Landezeitpunkt zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt als heute üblich und dazu auf einige Sekunden genau festzusetzen. Das führt zu nahezu optimalen Flugwegen, vom Start bis zur Landung. Die Flugzeuge können in der Luft beschleunigt beziehungsweise verlangsamt oder an den Gates bis zum idealen Zeitpunkt zurückgehalten werden, was die Rollzeiten und den unproduktiven Treibstoffverbrauch am Boden stark reduziert. Ziel ist es auch, die Flugzeuge nicht mehr in Warteräume (Holdings) zu dirigieren. Die genauere Planung kommt letztlich auch den Airlines zugute, die ihre Flotten effizienter bewirtschaften können. Gleiches gilt für die Verkehrsplaner der Flughäfen.
Kontinuierlicher Datenaustausch
In einem Gespräch an Bord eines Testanfluges auf Arlanda in der vergangenen Woche erläuterte uns Michael Standar, Direktor für Geschäftsentwicklung der schwedischen Flugsicherung, die Technologie, welche «Green Approaches» ermöglicht. Im Zentrum steht der «Downlink», das automatische Hinuntersenden des exakten Flugprofils mit dem genauen Landezeitpunkt vom Bord-Flugführungscomputer (FMS) an die Kontrollsysteme der Flugsicherung. Sämtliche Routenänderungen und ihre Auswirkungen auf die Landezeit werden dabei in elektronischer Kommunikation kontinuierlich verarbeitet. Mit anderen Worten ist die Flugsicherung jederzeit auf dem absolut neusten Stand bezüglich der beabsichtigten Anflugroute und des Landezeitpunkts.
Die Arbeitsbelastung für die Crew fällt dabei eher geringer aus. Der Grund: Wenn die Anflugerlaubnis von den Lotsen frühzeitig erteilt wird, fällt ein schöner Teil des Hin und Hers mit immer neu erteilten Richtungs- und Höhenanweisungen im Sprechfunk weg. Auch wird damit eine bekannte Quelle von Missverständnissen wenigstens teilweise eliminiert. Darüber hinaus kann im Verfahren durchaus ein Zugewinn an Sicherheit gesehen werden. Wenn der definitive Flugweg lange im Voraus bekannt ist, können Konflikte (Wetter, Annäherungen an andere Flugzeuge) frühzeitig erkannt und bereinigt werden.
Michael Standar betont, dass es wohl noch Jahre dauern werde, bis das neue Verfahren flächendeckend eingeführt werden kann, auch wenn SAS die Bordausrüstung des jüngeren Teils der Kurzstreckenflotte bereits à jour gebracht hat. Vorerst ist das Prozedere in Schweden auf wenige Flughäfen beschränkt, aber im Rahmen einer nordeuropäischen Kooperation der Flugsicherungen dürfte es bald in weiteren Staaten mit nicht allzu dichtem Verkehr (Norwegen, Dänemark, Finnland, Estland, Irland und Island) zur Anwendung gelangen. In den dicht beflogenen Gebieten in Mitteleuropa ist der Spielraum der Flugsicherungen beim jetzigen Stand der Technik noch zu klein; bessere Voraussetzungen könnte dereinst der «Single European Sky», den die EU anstrebt, schaffen. Interesse hat auch Nordamerika signalisiert.
Weitere Massnahmen
Für Schweden zumindest sind die Ziele ehrgeizig. Im Mai wird ein eigener, für den «Green Approach» reservierter Anflug auf den Flughafen Stockholm in den amtlichen Unterlagen publiziert. Bis zum Jahr 2012 sollen acht von zwölf Anflügen nach dem neuen Verfahren abgewickelt werden. Weil SAS bis zum Jahr 2020 die CO 2 -Emissionen um 20 Prozent senken will, sind weitere Massnahmen in Vorbereitung. So sollen die Rollzeiten der Flugzeuge in Arlanda um 50 Prozent verkürzt werden. Und für das nächste Jahr ist im nördlichen Teil Schwedens – ab dem 61. Breitengrad – die Einführung einer Bewirtschaftung des oberen Luftraums beschlossen worden, die den Besatzungen bei der Wahl der Flugrouten freie Hand lässt, auch hier mit dem Ziel der Treibstoffeinsparung. Die Nachbarländer sollen nachziehen.
siehe auch:
Green Approach, gekrümmter Endanflug, gekröpfter Nordanflug (VFSN)