Der Bericht des Bundes zu den möglichen Betriebssystemen für den Flughafen Kloten ist ernüchternd und mutlos. Und er schafft neue Probleme.
Von Liliane Minor
Unlängst präsentierte das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) jene vier Betriebssysteme für den Flughafen Zürich, die es als geeignet erachtet, um das heutige provisorische System abzulösen (TA vom 2. Februar). Sieht man sich die vier Vorschläge genauer an, wird indes schnell klar: Hier werden neue Probleme geschaffen, statt die bestehenden zu lösen.
Das fängt damit an, dass keines dieser vier Betriebssysteme sofort umsetzbar ist. Und es hört bei einem Betriebssystem auf, das wohl nie eine Chance haben wird. Mit anderen Worten: Aus dem heutigen Provisorium könnte leicht ein Providurium werden.
Zwar schlägt das Bazl zwei Betriebssysteme vor, die im Wesentlichen auf dem heutigen Provisorium und dem bestehenden Pistensystem beruhen. Nur: Beide Systeme gehen von Gegebenheiten aus, die heute nicht Realität sind. Und es in absehbarer Zeit auch nicht werden. Das eine ignoriert die deutsche Anflugsperre am Morgen, obwohl nichts darauf hindeutet, dass Deutschland ausgerechnet in diesem sensiblen Bereich zu Konzessionen bereit ist. Das andere geht von einem instrumentengestützten gekröpften Nordanflug aus, also von einem Anflug, für den frühestens in 10 bis 15 Jahren ein zulässiges Instrumenten- Navigationssystem erhältlich sein wird – wenn überhaupt.
Die anderen beiden Vorschläge enthalten ein verändertes Pistensystem: Einmal sollen die bestehenden Pisten verlängert werden, einmal soll die Piste 14/32 durch eine Parallelpiste zur 16/34 ersetzt werden. Beiden Vorschlägen gemeinsam ist das Ziel, die Kapazität des Flughafens zu erhöhen. Ein Anliegen, das im Kanton Zürich in den nächsten Jahren an der Urne kaum mehrheitsfähig sein wird.
Ohne Südanflüge geht es nicht
Fragt sich, weshalb das Bazl so entschieden hat. War es der Druck aus der Südschneise Fast scheint es so. Denn verklausuliert findet sich im Bericht das Zugeständnis, dass es ganz ohne Südanflüge wohl doch nicht geht. Das zeigt, wie mutlos das Bazl war, ebenso mutlos wie die Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer (SVP) und Verkehrsminister Moritz Leuenberger (SP): Niemand steht hin und erklärt klipp und klar, dass der Süden nur schon aus meteorologischen Gründen auch in Zukunft mit Anflügen wird leben müssen. Allerdings stellt sich zum Beispiel die Frage, ob die Südanflüge immer morgens von sechs bis sieben stattfinden müssen. Hier hätte sich durchaus eine mehrheitsfähige Lösung finden lassen.
Auf Status quo aufbauen
Dieser mutlose Bericht ist jedenfalls nicht das, was ein Amt leisten müsste, das von sich selbst behauptet, unpolitisch zu entscheiden. Das Bazl hätte zwingend ein Betriebssystem vorschlagen müssen, das vollständig auf den heutigen Gegebenheiten basiert und damit das geltende Provisorium sofort ablösen könnte. Stattdessen hat das Amt neue Probleme geschaffen.
Erneut versucht man Druck auf Deutschland aufzubauen, obwohl längst klar sein müsste, dass politischer Druck keine Erfolg versprechende Taktik ist.
Den Süden versucht man mit leeren Versprechungen ruhigzustellen. Und schliesslich riskiert man einen heftigen Konflikt mit der Bevölkerung, wenn Pistenverlängerungen und -neubauten durchgesetzt werden sollen. Zitat eines Gemeindepräsidenten im Zürcher Unterland: «Kaiseraugst wurde auch nicht gebaut.»
Tages-Anzeiger, 11.02.2008, Seite 15
Kommentar VFSN: Wir dachten immer, dass Südanflüge ein Provisorium sind und ausschliesslich wegen der DVO nötig sind. Haben sich die meteorologischen Verhältnisse plötzlich geändert oder wurde 50 Jahre lang unsicher angeflogen?
siehe auch:
«Ein Eigentor für alle Fluglärmverteiler» (Leserbriefe TA)