Von Peter Johannes Meier und Liliane Minor
Spielt das Wetter mit, setzen heute Morgen die ersten Passagiermaschinen zum Südanflug über die Goldküste und Schwamendingen an. Das Wetter? - Zumindest für die Opposition der betroffenen Gemeinden ist der Südanflug keine Wetterfrage. Er ist Unrecht, das mit allen Mitteln bekämpft werden muss. «Es gibt für mich und viele andere Mütter keine persönliche Grenze. Wenn es sein muss, gehe ich dafür ins Gefängnis», zeigte sich am Dienstag eine Schwamendingerin in TeleZüri kampfbereit. Viel braucht es dazu auch nicht. Sollten Aktionen die Anflüge tatsächlich verhindern, droht das Gesetz mit drakonischen Strafen. Und auch für Blockaden oder Besetzungen ohne Auswirkungen auf den Flugverkehr sehen Rechtsexperten keine Rechtfertigungsgründe. Was an Widerstand tatsächlich zu erwarten ist, darüber lassen sich die Gegner allerdings nicht in die Karten blicken. Ob sie mit Futter störende Vögel anlocken oder eher die im links-grünen Widerstand erprobten Blockade- und Besetzungstechniken übernehmen, ist Spekulation. Klar ist, dass bei folgenden Aktionen die Grenzen der Legalität überschritten werden.
Der Fesselballon: Genügend gross und hoch sollen sie den Flugverkehr verhindern. Angebundene Metallteile könnten den Radar stören. Unique warnte gestern in einer Medienmitteilung. Gemäss Luftfahrtgesetz ist es verboten, Fesselballone näher als drei Kilometer von den Pisten steigen zu lassen. Ausserhalb dürfen Drachen und Ballone nicht höher als 60 Meter steigen.
Die Besetzung: Störaktionen auf dem Flugfeld könnten Landungen verhindern. Die Aktivisten begehen Hausfriedensbruch und Nötigung, falls der Flugverkehr oder der betriebliche Ablauf eingeschränkt wird. Zudem wird der öffentliche Verkehr behindert, ein weiterer Tatbestand im Strafgesetzbuch.
Die 1.-August-Rakete: Wohl kaum ein Mittel um Anflüge zu verhindern, unter dem Jahr ist das Abfeuern aber grundsätzlich bewilligungspflichtig. Mit ein Grund: Raketen erzeugen zu viel Lärm . . .
Alarmsirenen oder die Störung des Funkverkehrs sind weitere denkbare Aktionen. «Strafrechtlich entscheidend ist letztlich, ob durch eine Massnahme oder Drohung jemand zu etwas genötigt wird. Also wenn beispielsweise der Flughafen durch eine Blockade nicht mehr betreten werden kann», sagt Strafrechtsprofessor Marcel Niggli. Dafür drohen drei Tage bis drei Jahre Gefängnis oder eine Busse bis 40 000 Franken. «Sollte der Flugverkehr tatsächlich beeinträchtigt werden, ist dies zudem eine Störung des öffentlichen Verkehrs.» Das Verhindern eines Anfluges dürfte gar als eine «konkrete Gefahr für viele Menschen» ausgelegt werden, die nur durch Dritte (Skyguide oder die Flughafenbetreiber) verhindert werden kann. Nach Gesetz ist dies eine qualifizierte Form der Verkehrsstörung, für die bis zu 10 Jahre Zuchthaus angedroht wird.
Wird eine solche Tat begangen, stellt sich aus juristischer Sicht die Frage nach Rechtfertigungsgründen. «Ein Recht kann gebrochen werden, wenn ein höheres Rechtsgut nicht anders geschützt werden kann», so Niggli. Bei den erwähnten Beispielen treffe dies aber gerade nicht zu. Die Sicherheit der Menschen sei ein klar höheres Gut als die Belästigung durch Fluglärm. Zudem gebe es ja demokratische und rechtliche Mittel, um sich zu wehren. «Etwas anders war die Ausgangslage beispielsweise bei der Besetzung der Startbahn West in Frankfurt. Dort hatte die Bevölkerung tatsächlich keine Möglichkeit der demokratischen oder rechtlichen Einflussnahme - ausser Politiker später abzuwählen», sagt Niggli. Eine solche Situation könnte - zumindest aus schweizerischer Rechtssicht - noch eher ein Rechtfertigungsgrund darstellen.
Für Niggli fehlt es beim Anliegen der Südanfluggegner aber auch an einem übergeordneten Interesse. «Letztlich geht es um die Wahrung egoistischer Interessen. Andernfalls müssten die gleichen Leute ja auch gegen Fluglärmbelästigungen in anderen Regionen kämpfen.»
Skyguide: Keine Angst vor Protesten
Und was macht die Flugsicherung Skyguide, wenn ein Anflug tatsächlich verhindert wird? Skyguide-Sprecher Patrick Herr antwortet lapidar: «Flugsicherung. Egal was passiert.» Für ihn ist die Sache klar: Es gelten dieselben Regeln wie immer. «Ist ein Anflug von Süden her nicht möglich, muss man von Osten her anfliegen. Geht das auch nicht, fragen wir in Deutschland, ob man von Norden her anfliegen darf. Sagen die Deutschen Nein, schicken wir die Flugzeuge in Warteräume. Dann entscheiden die Piloten, ob sie auf einen anderen Flughafen ausweichen wollen.» Die Deutschen hätten allerdings bereits zugesichert, sie würden sich nicht gegen Nordanflüge sperren, sollten diese aus Sicherheitsgründen nötig sein, erklärte Tower-Chef Andreas Heiter.
Vielleicht erschöpft sich der Protest ja auch - legal - in 1.-August-Fahnen auf Halbmast. Dafür mobilisiert zumindest die Ortsgruppe Zollikon/Zollikerberg der Aktion Flugschneise Süd - Nein. Am wirksamsten aber dürfte folgende Massnahme sein: Der Verzicht auf Flugreisen.