Von Daniel Suter
Um fünf Uhr früh kam gestern der Telefonalarm: Am Dienstag sei mit Südanflügen zu rechnen, das Wetter verhindere sie nicht. Eine gute Stunde später stand der gesamte Stadtrat mit Ausnahme des Stadtpräsidenten zusammen mit Quartierbewohnern an der Tramhaltestelle Luegisland in Schwamendingen. «Niemand von uns neun ist von den Südanflügen unmittelbar betroffen», sagte später Robert Neukomm, der Vorsteher des Gesundheits- und Umweltdepartements. «Darum ist es wichtig, dass wir mindestens eine Ahnung haben, wie das wirklich ist.»
Lärmspitzen bis 80 Dezibel
Die Flugbeobachter sahen und hörten zwischen 15 und 20 Maschinen im Zweiminutentakt über die Dächer von Schwamendingen brausen. Ein Lärmmessgerät, dass sie bei sich hatten, zeigte Lärmspitzen von mehr als 80 Dezibel an. Ab 60 Dezibel überschreitet Lärm die Aufwachschwelle, und der Dienstag war der vierte Tag in Folge, an dem Schwamendingen um sechs Uhr geweckt wurde.
«Wir sahen die Flugzeuge sehr tief im Langsamflug heranschwanken», sagte Neukomm. «Dann und wann gaben sie Schub - was besonders laut war -, um ihren Anflug auszubalancieren. Ich denke, die psychologische Wirkung der Verunsicherung, die von einem solchen Anblick ausgeht, darf nicht unterschätzt werden.»
Quartierbewohner, die seit knapp drei Wochen den Südanflügen ausgesetzt sind, erzählten dem Stadtrat von ihrer Wut und ihrer Ohnmacht. Manche dächten ans Wegziehen. «Das wäre fatal für Schwamendingen wegen der sozialen Entmischung», sagte der Gesundheitsvorstand.
In seiner Medienmitteilung schrieb der Gesamtstadtrat, er sei «nach diesem Augenschein entschlossener denn je, sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden politischen und rechtlichen Mitteln für den Abbruch des jetzigen Anflugprovisoriums und den definitiven Verzicht auf Südanflüge einzusetzen». Seit einigen Tagen liegt beim Bundesgericht das Begehren des Stadtrats um aufschiebende Wirkung seiner Einsprache gegen die Südanflüge. Würde das Bundesgericht diese aufschiebende Wirkung gewähren, «könnte Zürich die Südanflüge von einem Tag auf den anderen abstellen», meinte Neukomm.
Zudem hat die Stadt Zürich gemeinsam mit Zumikon und Zollikon Ende Oktober beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim eine Klage eingereicht, die sich gegen die einseitige deutsche Verordnung richtet. Dass diese Klage die Gespräche mit Deutschland belasten könnte, glaubt Robert Neukomm nicht: «Miteinander reden und gleichzeitig dem Gesprächspartner mit aller Klarheit die eigene rechtliche Position darzulegen, schliessen sich nicht aus. Es geht doch nicht darum, von vornherein auf ein Mittel zu verzichten.» Bisher hat das angekündigte Gespräch mit dem Waldshuter Landrat Bernhard Würz noch nicht stattgefunden.
Bereits seit längerem fordert der Stadtrat vom Flughafen eine Plafonierung des Flugbetriebs. «Bestimmt drei Viertel der Flieger, die wir beobachtet haben, sind Swiss-Maschinen gewesen», sagte Neukomm. «Von der Grösse der Maschinen her zu schliessen, kamen keineswegs alle aus Fernost oder Fernwest. Es waren auch kleinere Maschinen darunter, die nicht unbedingt schon um sechs Uhr in Kloten landen müssten. Das ist auch ein Punkt, über den wir reden müssen.»
Für Roger Tognella, Vorstandsmitglied des Quartiervereins Schwamendingen, ist der frühmorgendliche Besuch des Stadtrats ein Zeichen, dass die Klagen der Schwamendinger ernst genommen werden: «Das ist für uns wichtig. Was der Stadtrat am Schluss bewirken kann, ist eine andere Frage.»
Positive Bilanz des Bazl
Gestern Dienstag teilte das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) mit, Vertreter der schweizerischen und deutschen Luftfahrtbehörden hätten zu den Südanflügen eine positive Bilanz gezogen. Durch die Präzisierung der Ausnahmeregelung bei Wolkenfetzen seien anfängliche Probleme im Betriebsablauf behoben worden. Weiteren Handlungsbedarf gebe es zur Zeit nicht.