Zwei Studien liefern Argumente für eine Sonderbehandlung der Flughafengemeinden bei Planungsfragen sowie gegen Südanflüge. Der volkswirtschaftliche Schaden sei zu gross.
Die Lärmverteilungs-Varianten, die zusätzliche Ost- und Südanflüge vorsähen, würden Vermögensverluste in mindestens zweistelliger Milliardenhöhe verursachen, steht in einer am Donnerstag vor den Medien präsentierten Studie. Sie wurde vom St. Galler Raumplanungsbüro Strittmatter Partner verfasst im Auftrag der Gesellschaft Siedlungsentwicklung und Umwelt (GSU).Der Wertverlust einer einzelnen Liegenschaft am Pfannenstil und in den Ostgemeinden kann gemäss Studie je nach Lage bis zu 30 Prozent betragen. Der Gesamtwert aller Liegenschaften am Pfannenstil liege heute noch bei rund 85,1 Milliarden Franken, in den Ostgemeinden bei 14,5 Milliarden Franken.
Mit der Studie wolle die GSU den politisch Verantwortlichen Material für deren Entscheide zur Verfügung stellen, erklärte GSU-Präsident Christoph Ackeret. Seine Haltung im Fluglärm-Streit ist klar: «Das Argument der gerechten Fluglärmverteilung ist nicht nachvollziehbar. Wer ins Unterland zieht, weiss, dass es dort Fluglärm gibt und zahlt deshalb weniger für sein Haus.»Um den lärmgeplagten Gemeinden im Zürcher Unterland eine Entwicklungsperspektive zu zeigen, hat der Kantonale Gewerbeverband Zürich (KGV) eine zweite Studie in Auftrag gegeben. Darin ist eine Liste von Forderungen an die Politik aufgeführt.
So soll das kantonale Planungs- und Baugesetz (PBG) in der Flughafenregion liberalisiert werden: Die Gemeinden müssten in Eigenregie über Massnahmen gegen den Fluglärm entscheiden können. Um dies zu erreichen, möchte der KGV seine Interessenvertreter im Kantonsrat auf die Sache ansetzen.
Ein weiterer Vorschlag betrifft die Sanierung stark belasteter Gebiete. Die Sanierungsmassnahmen hätten laut der Studie der Kanton, die Flughafenbetreiberin Unique oder ein neuer Lärmschutzfonds zu bezahlen.
Der Forderungskatalog der Studie ist aufs Unterland zugeschnitten, alle Beispiele stammen aus dieser Region. So könnte der Eindruck entstehen, dass dem Unterland bereits heute die Zustimmung zu mehr Lärm abgekauft werden soll.
Der Forderungskatalog habe jedoch nichts mit der Variantenfrage zu tun, erklärte der Präsident des Bezirksgewerbeverbandes Bülach, Werner Scherrer: «Wo die Lärmkeule auch zuschlägt, sie wird jemanden treffen. Und es ist gut, wenn man darauf vorbereitet sind.» Vielleicht sei dereinst auch die Goldküste dankbar für Sonderrechte in Planungsfragen.
Allerdings befindet sich das Unterland durch die Massenentlassungen bei Swiss und den flugnahen Betrieben wirtschaftlich in schwieriger Lage. Und mehr Lärmschutz bedeutet auch mehr Aufträge für gebeutelte KMU.
Wenn in Zürich über Fluglärm diskutiert wird, fehlt ein grundsätzliches Bekenntnis zum Flughafen fast nie. Am Donnerstag kam es vom KGV-Präsidenten Robert E. Gubler. Wenn Zürich ein regionaler Zubringer für München oder Frankfurt werde, verschiebe sich die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland.
Mit der EU-Osterweiterung entstehe eine Achse, die an der Schweiz vorbei von Berlin über Bayern durch Österreich führe. «Letztlich geht es nicht um Nord- oder Südgemeinden, sondern um Zürich oder München», sagte Gubler. (sda)